Cineneh

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Luc Bessons neues Drama “DogMan”, das auch dem Genre Thriller zugeordnet werden kann, wird das Publikum spalten. Einige werden darin eine kalkulierte, oft alberne Comic-Schmonzette sehen, die an den nicht unähnlichen “Joker” (2019 mit Joaquin Phoenix) nicht ganz herankommt, andere werden über dramaturgische Schwächen hinwegsehen und zu Herzen gerührt sein.

Premiere feierte “DogMan” in Venedig, wo sogleich, und das soll nicht unter den Teppich gekehrt werden, kritisiert wurde, dass das Festival Besson, einer unter den problematischen Regie-Männern, eine Bühne geben würde. Darüber ging wohl verloren, dass die Teilnahme an einem der großen A-Festivals, für einen für Gewalt- und Action-Filmen bekannten Regisseur sehr wohl eine Überraschung war.

Seine frühen Regiearbeiten wie “Im Rausch der Tiefe” (1988), “Nikita” (1990) und “Léon – Der Profi” (1994) sind Klassiker geworden. Mit “Das fünfte Element” (1997) wechselte er erfolgreich ins Science-Fiction-Genre, um dann aber mit “Angel-A” zu enttäuschen. Jahrelang arbeitete Besson als Produzent, sein letzter, etwas überdimensionierter Film war wohl “Valerian – Die Stadt der tausend Planeten” (2017).

“DogMan”, der von einer engen Verbindung von Mann und Hund handelt, und der bitte nicht mit “Dogman” von Matteo Garrone von 2018 verwechselt werden sollte, knüpft in der Tat an die alte Handschrift von Besson an. Besson wirft hier alles in die Waagschale. Sein Film ist episch, tragisch, komisch und skurril. Er schreckt vor religiösem Pathos und zahlreichen Klischees nicht zurück. Und doch rührt seine Hauptfigur, die lautmalerisch Doug heißt, zu Herzen, während die unzähligen Hunde jede Szene für sich erobern. Kann man so treuherzigen Kampftieren böse sein?

Mit Doug, für dessen Rolle Besson den amerikanischen Schauspieler Caleb Landry Jones (“Three Billboards Outside Ebbing, Missouri”) gewinnen konnte, hat “DogMan” einen tragischen Antihelden, eine von der Gesellschaft ausgeschlossene Figur, die sich gar nicht darum bemüht, wieder ein Teil dessen zu werden. Doug ist von außen betrachtet ein Einzelgänger, aber er hat seine Familie. Seine Familie sind seine Hunde, die ihn bedingungslos lieben und unterstützen und für ihn neckische Raubzüge vollbringen. Neben der Hundeschar, für die es einen Stab an 15 Hundetrainer*Innen gab, braucht es Präsenz, um zu bestehen. Caleb Landry Jones' Spiel wird in Erinnerung bleiben, soviel steht fest.

Wie Doug zu seinen Hunden kam, und sie spirituell und emotionell als seine Retter annahm, erzählt Doug im Gespräch in seiner Gefängniszelle. Denn nachdem er bzw. seine Hunde eine ganze Gang an Latino-Schurken trickreich ausgelöscht haben, kann sein Weg nur noch in die eigene Auslöschung bzw. in eine spirituelle Erlösung führen. So wählt denn Besson dramaturgisch die Erzählung durch Rückblenden und verknüpft diese mit den Gewalterfahrungen, die sein Gegenüber, die Polizeipsychologin Evelyn (Jojo T. Gibbs), selbst gemacht hat. Die Welt nach Luc Besson ist eine gewalttätige. Die Hunde dagegen lieben einen Menschen bedingungslos und konsequent. Die Wahlfamilie ist hier die wahre Familie.

Subtil ist Luc Besson nicht. Mit breitem Pinselstrich malt er seine Figuren und setzt der Dramaturgie immer noch einen drauf, auch wenn das bedeutet, das Genre zu wechseln. Doch Besson schafft es, Mitgefühl zu wecken. Doug wählt die Distanz zu seinen Mitmenschen und auch zu seinem Publikum.

Geschunden und mit Behinderung lebt er seine Lebensfreude aus, indem er singt. Für kurze Zeit löst er sich von den physischen Fesseln seines Rollstuhles und performt französische Chansons in Gestalt einer Drag-Queen. Zu kritisieren gäbe es daran so einiges und doch schafft es Besson seiner Figur eine Seele einzuhauchen, die das Publikum erkennt, wenn es nicht sogar eine Träne vergießt. Hier besinnt sich Luc Besson an seine alten Filme und damit hebt er sich auch von den kalten Thrillern nach dem Millenium ab. Wie gesagt, nicht jedem wird “DogMan” gefallen, aber das Wagnis sollte man unbedingt eingehen.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: DogMan Regie: Luc Besson Drehbuch: Luc Besson Kamera: Colin Wandersman Schnitt: Julien Rey Musik: Eric Serra Mit Caleb Landry Jones, Christopher Denham, Marisa Berenson, Michael Garza, Clemens Schick, Jojo T. Gibbs, Eric Carter, Avant Strangel, Grace Palma, James Payton, Derek Siow, John Charles Aguilar, Naima Hebrail Kidjo, Ambrit Millhouse, Lincoln Powell, Corinne Delacour, Aven Campau, William Sciortino, Luing Andrews Frankreich / USA 2023 114 Minuten Verleih: Capelight Pictures Kinostart: 12. Oktober 2023 Festivals: Venedig 2023 TMDB

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