Cineneh

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Elaha, gespielt von Bayan Layla, ist 22 Jahre alt und steht kurz vor ihrer Heirat. Sie ist Deutsch-Kurdin und damit in zwei Kulturen zu Hause. Elaha ist eine Geschichte der Selbstermächtigung, quasi ein Coming-of-Age. Ein Regiedebüt. Die Regisseurin Milena Aboyan, geboren als Kurdin in Armenien, durchlief zuerst eine Schauspielausbildung, bevor sie sich dem Schreiben zuwandte. Ihren Abschlußfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg stellte sie zuerst auf der diesjährigen Berlinale vor. In der Sektion “Perspektive Deutsches Kino”. Man ist sich schmerzlich bewußt, welche Lücke die Abschaffung dieser Sektion reißen wird. Junge Talente wie Aboyan werden es schwerer haben, sich vorzustellen. Elaha debütierte hier und es ist erfreulich, dass dieses vielschichtige Drama doch auch in die Kinos kommt.

Elahas Verlobter ist der Bruder ihrer Arbeitgeberin. Beruflich hat er Ambitionen. Seiner Herkunft ist er soweit verbunden, dass er in der Aufforderung seiner Eltern, Elaha möge ihre Jungfräulichkeit doch mit einem ärztlichen Attest bestätigen lassen, kein Problem sieht. Elaha hat jedoch ein Problem. Dabei lässt das Drehbuch den medizinischen Wissensstand um das Jungfrauenhäutlein außen vor. Es geht ausschließlich um die Auswirkung, die diese archaische Tradition auf die titel-gebende Hauptfigur hat.

Elaha hatte schon einmal Sex. Mit 22 Jahren ist das nun nicht wirklich ungewöhnlich. Trotzdem will sie diese Ehe. Folglich bemüht sie sich darum, dieses Attest dennoch zu bekommen. Denn wo ein Bedarf ist, ist auch ein Markt. Allein, es fehlen ihr die finanziellen Mittel. Milena Aboyan stellt ihre Titelfigur zwischen ihr nach Außen zur Schau getragenes Selbstbewußtsein und dem patriarchisch frauenfeindlichen Selbstverständnis ihres Umfeldes. Elaha läuft von hier nach da, um doch noch einem Konstrukt zu gehorchen, dessen Selbstzweck ihr im Verlauf der Handlung mehr und mehr bewußt wird, und von dem sie sich doch nicht so einfach lösen kann. Gerade diese Ambivalenz macht diesen Film zu einem, über den man auch im Anschluss noch reden möchte.

Auch in der Bildsprache zieht Aboyan (Kamera: Christopher Behrmann) auf Enge, sprich auf das Format 4:3, und eine begrenzte Farbpalette. Elaha stellt die ihr auferlegten Regeln zunehmend in Frage, ist aber von den Erwartungen ihres nicht kurdischen Freundeskreises gleichsam überfordert. Milena Aboyan zeigt die Schattierungen, die Elahas Situation bestimmen. Bis zur Selbstbestimmung ist es jedoch ein schwerer Weg.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: Elaha Regie: Milena Aboyan Drehbuch: Milena Aboyan, Constantin Hatz Kamera: Christopher Behrmann Schnitt: Elias Ben Engelhardt Musik: Kilian Oser Mit Bayan Layla, Armin Wahedi, Derya Dilber, Derya Durmaz, Cansu Leyan, Beritan Balci, Slavko Popadić, Nazmî Kirik, Réber Ibrahim, Homa Faghiri, Hadnet Tesfai, Yasmin Mowafek, Onur Poyraz, Adnan Jafar, Ferman Alkasari, Taies Farzan, Lennart Gottmann, Mehmet Daloglu, Hêja Netirk, Svetlana Wall, Tatiana Corrado, Dennenesch Zoudé, Faris Saleh Deutschland 2023 111 Minuten Verleih: Camino Kinostart: 23. November 2023 Festivals: Berlinale 2023 TMDB

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