Cineneh

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Franz Kafka lernt an der Ostsee die Erzieherin Dora Diamant kennen. Sie betreut eine Gruppe jüdischer Kinder. Er ist bei seiner Schwester zu Besuch. In einer Einstellung erzählt Kafka den Kindern eine Fabel, die nicht gut ausgeht. Es geht auch um den Tod. Man hält die Luft an. Aber: Die Kinder sind begeistert.

Sicherlich hat das Publikum die eine oder andere Kafka-Erzählung im Hinterkopf und auch seine Lebensgeschichte blitzt im Hinterkopf auf. Die Biografie, die der Regisseur Georg Maas (Zwei Leben) und in Co-Regie die Kamerafrau Judith Kaufmann (Räuberhände, Das Lehrerzimmer) hier erzählen, ist eigentlich eine Universelle.

Franz Kafka, gespielt von Sabin Tambrea, und Dora Diamant, sie wird von Henriette Confurius dargestellt, lernen sich kennen und sie verlieben sich, ohne Umschweife. Der Fokus liegt dabei auf der Kraft der Liebe angesichts einer Zukunftslosigkeit des Lebens. Franz Kafka ist bereits todkrank. Er litt an Tuberkulose. Das hindert die Beiden nicht, aus der verbliebenen Zeit das Beste herauszuholen. Dabei ist Die Herrlichkeit des Lebens zwar mit berühmten Figuren bevölkert, aber die eigentliche Geschichte wirkt von den Persönlichkeiten losgelöst.

Vorlage für die Verfilmung ist der gleichnamige Roman von Michael Kumpfmüller von 2011, der diese Liebesbeziehung, die in der Kafka-Forschung kaum mehr als eine Randnotiz ist, anhand von Tagebüchern und Briefen ausgearbeitet hatte.

Was fällt einem bei dem Namen Kafka ein? Sicherlich nicht eine Liebesgeschichte, und genau diese Facette beleuchtet der Roman. Die Verfilmung haucht, auch mit einer stimmigen Besetzung, diesen Figuren Leben ein. Das Drehbuch-Autorenteam Michael Gutmann und Georg Maas streichen die Gegensätze heraus und geben diesem Lebensbejahenden Abschnitt einer Biografie, die man gemeinhin von der düsteren Seite wahrnimmt, einen Raum.

Er ist der Introvertierte, der linkisch und komplett unpassend gekleidet am Strand steht. Sie ist die fröhliche, patente Lebendigkeit. Zwischen ihnen liegen viele Jahre, er ist 40 und sie 25. Andererseits ist sie die Unabhängige und er bräuchte dringend eine Abnabelung. Nicht nur ihr Temperament, auch ihre Herkunft und ihre Lebenssituation könnten nicht unterschiedlicher sein.

Ein ähnlich großer Gegensatz herrscht zwischen der Luftigkeit und Helle an der Ostsee und der kalten Tristesse in der Hauptstadt. Berlin ist hier nur ein zugiges Zimmer mit misstrauischer Wirtin, einem Kohleofen und der Armut der Wirtschaftskrise rundum. Vom Berlin in den Jahren 1923 und 1924 erkennt man kaum etwas und auch die Zwänge und Selbstzweifel, denen Kafka, abseits seiner Erkrankung ausgesetzt ist, kommen etwas zu kurz. Er ist finanziell von seiner Familie abhängig, die diese Beziehung nicht gutheißt. Sie dagegen übt einen Beruf aus und steht mit beiden Beinen fest im Leben.

Was er an ihr fasziniert haben mag, kann man nachvollziehen. Was sie an ihm fand, der hier wahrlich nicht als Autor von Weltliteratur gezeichnet wird, ist schon schwieriger zu deuten. Das schwierige Verhältnis Kafkas zu seiner Familie wird nicht näher beleuchtet und auch die Beziehung zu seinem Freund Max Brod (Manuel Rubey), der sich über seinen letzten Wunsch, seine Texte zu vernichten, hinweggesetzt hatte, bleibt vage. Die Herrlichkeit des Lebens, eine deutsch-österreichische Produktion, wirkt darum doch eher wie ein gut abgestimmtes Melodram für das Kafka-Jahr.

Eneh

Spielfilm Originaltitel: Die Herrlichkeit des Lebens Regie: Georg Maas, Judith Kaufmann Drehbuch: Georg Maas, Michael Gutmann Kamera: Judith Kaufmann Montage: Gisela Zick Musik: Paul Eisenach Mit Sabin Tambrea, Henriette Confurius, Daniela Golpashin, Manuel Rubey, Luise Aschenbrenner, Mira Griesbaum, Lionel Hesse, Leo Altaras, Michaela Caspar, Kristian Wanzl Nekrasov, Mia Klein Salazar, Caspar Stoltenberg, Klaus Huhle Deutschland / Österreich 2023 99 Minuten Kinostart: 14. März 2024 Verleih: Majestic TMDB

zuerst veröffentlicht: der Link führt zum BAF-Blog

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