Cineneh

OhneKinostart

Eine Liebesgeschichte, die keine sein darf, das ist der nigerianische Spielfilm “All the Colours of the World are Between Black and White”. Zwischen Schwarz und Weiß gibt es alle Farben der Welt. Nigeria ist nicht nur das bevölkerungsreichste Land auf dem afrikanischen Kontinent, es hat auch eine bedeutende Filmproduktion. Nicht annähernd so viele Filme aus Nollywood schaffen es in europäische Kinos wie beispielsweise aus Bollywood.

Babatunde Apalowo, der Regisseur dieser ruhig erzählten Geschichte, drehte zwar in seiner Heimat Lagos, lebt aber inzwischen in Großbritannien. “All the Colours” ist ein gelungenes Regiedebüt, der in Zwischentönen all die komplizierten Gefühlszustände seiner Protagonisten zu vermitteln weiß.

Dabei sollte es eigentlich eine Liebesgeschichte an seine Heimatstadt Lagos werden. Apalowo wollte eine Geschichte von einem Kurier erzählen, der unterwegs Fotos von seiner Stadt schießt. Der Regisseur wurde jedoch Zeuge einer Gewalttat. Gewalt ist in Lagos und in Nigeria Teil des Alltags, jedoch sah er, wie ein Kommilitone aufgrund seiner Sexualität von einem Mob gelyncht wurde. Queerness ist in Nigeria nicht nur gesellschaftlich geächtet, sondern wird mit langen Haftstrafen geahndet. So wurde aus einer Geschichte über eine Stadt auch eine Geschichte von ihren Bewohnern. Allerdings ist Apalowo, und da macht der Regisseur gar keinen Hehl draus, straight. Er versuchte trotzdem eine Liebesgeschichte zu erzählen, die zwischen zwei Männern verläuft. Das Gefühl des Liebens und der Zurückweisung, der Unsicherheit der eigenen Gefühle und der Selbstkenntnis und all dem dazwischen sind das Rückrad der Handlung.

Tope Tedela, der nicht nur in seiner Heimat ein renominierter Schauspieler ist, spielt Bambino. Bambino ist ein angesehener Nachbar in seinem Viertel. Er hilft aus, wo er kann, und auch finanziell reicht es zum Leben. Er lebt als Single und denkt gar nicht weiter darüber nach. Doch dann trifft auf Bawo, gespielt von Riyo David, der ihn fotografiert und mit dem er dann in der Stadt herumfährt, um gemeinsam für ein Fotoprojekt Aufnahmen zu machen. Die Kamera von Bawo bringt Bambino nicht nur dem Publikum näher. Doch in der rigiden gesellschaftlichen Haltung gegenüber gleichgeschlechtliche Avancen, braucht es einen Grund, damit sich zwei Männer berühren können, die sich bis dahin mit Blicken taxierten. Als Bambino einen Unfall hat, ist es Bawa, der ihn pflegt und damit Bambinos Selbstbild ordentlich ins Wanken bringt. Es geht in erster Linie um das Gefühl der Zuneigung und Anziehung und Apalowo bringt eine Nachbarin (Martha Ehinome Orhiere) ins Spiel, die sich zu Bambino hingezogen fühlt und dieses auch vermittelt. Nur kann Bambino dieses Gefühl nicht erwidern.

Apalowo vermeidet Klischees und setzt auf Stimmungen. Die Kamera unterstützt in Statik und Bewegung die Grundzüge der Charaktere der Figuren. Lagos als Stadt spielt immer noch eine der Hauptrollen in der Erzählung, wobei Apalowo und sein Partner an der Kamera, David Wyte (“Gbomo Gbomo Express”), einen möglichst realistischen Look anstrebten, auch um das Gefühl der Authentizität zu unterstreichen. Authentizität ist auch in der Handlung wichtig. Bambino kann sich den Zwängen nicht auf Kommando entledigen und er tut es auch nicht. Es tut weh, den beiden, das heißt eigentlich den drei Figuren zuzuschauen. “All the Colours” vermittelt die Stimmungen subtil, aber fühlbar.

Der Teddy ging in diesem Jahr, der reich an queeren Stoffen war, nicht nur in der Sektion Panorama, an diesen nigerianischen Film und ich hoffe, dass der Film auch einen weltweiten Einsatz bekommt. Das, was er zeigt, dass gleichgeschlechtliche sexuelle Beziehungen in Nigeria tabuisiert und strafrechtlich verfolgt werden, ist mit Abstrichen zum Glück nur noch auf eine kleine Anzahl von Ländern beschränkt. Die Gefühle, die die Figuren durchlaufen, kennen viele. Lieben und zurück geliebt werden, darum dreht es sich doch. Apalowos Film ist ein Aufruf, und durchaus auch politisch gemeint, diese Liebe, in welcher Farbe auch immer, zuzulassen und Empathie zu entwickeln.

Eneh

Originaltitel: All the Colours of the World are Between Black and White Regie: Babatunde Apalowo Mit Tope Tedela, Riyo David, Martha Ehinome Orhiere, Uchechika Elumelu, Floyd Anekwe, Ciroma Chukwuma Adekunle, Yusuf Olalekan, Bolaji Gelax, Emmanuel Adex, Oni Mercy, Emmanuel Oteikwu-Adah, Nurudeen Obi, Wilson Joseph Nigeria 2023 92 Minuten Auszeichnungen: Teddy für den besten Spielfilm auf der Berlinale 2023 Verleih: bisher kein deutscher Kinostart Coccinelle Film zuerst veröffentlicht der Link führt zum BAF-Blog

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